Sevilla, la maravilla
"'Wer Sevilla noch nicht gesehen hat, hat noch keine Wunder gesehen.' Auch wenn dieser Satz etwas geschwollen klingen mag, für mich ist er wahr, schließlich ist Sevilla der Grund, warum ich mich überhaupt in Spanien verliebt habe und unbedingt nochmal länger hier leben wollte."
“Wer Sevilla noch nicht gesehen hat, hat noch keine Wunder gesehen.” Auch wenn dieser Satz etwas geschwollen klingen mag, für mich ist er wahr, schließlich ist Sevilla der Grund, warum ich mich überhaupt in Spanien verliebt habe und unbedingt nochmal länger hier leben wollte. Vor zweieinhalb Jahren habe ich dort einen Schüleraustausch mit Marta gemacht, der wirklich mit Abstand der beste Austausch von doch einigen Austauschen, die ich bisher gemacht habe.
Um meine zwei freien Tage (Freitag und Montag) samt Feiertag (Dienstag, 1. November: Allerheiligen) sinnvoll zu nutzen, habe ich schon vor Wochen Marta gefragt, ob ich sie nochmal besuchen kommen könnte, woraufhin mich ihre Familie herzlich willkommen geheißen hat.
Vorletzten Freitag ging es dann auch schon um 8.00 Uhr morgens an der Estación del Sur mit dem Bus los, die zum Glück nur 15 Minuten per Regionalzug von Leganés entfernt liegt. Nachdem ich mittags gegen halb drei ankam, wurde ich gleich von Marta und ihrem Papa am Busbahnhof abgeholt. Es war total schön und zugleich auch echt seltsam, alle (Mama, Papa, Oma, Hund Broma und Marta) nach so langer Zeit wieder zu sehen. Und doch kam mir alles (die Wohnung, der Geruch) noch so vor, als wäre ich erst gestern dort gewesen.
Nachdem uns Martas Oma mit köstlicher, traditioneller, spanischer Küche verwöhnt hatte (Omas sind in Spanien irgendwie eine Allzweckwaffe: nicht, dass sie nur gut kochen können und so arbeitstätige Mütter entlasten, nein, sie können auch Halloweenkostüme nähen und so weiter und so fort), sind wir zwei in die Stadt, um eine Freundin auf einen Kaffee zu treffen. Danach haben wir noch mehr Freundinnen getroffen (die ich auch noch alle von vor zwei Jahren kannte) und Stoff für die Schleier rausgesucht, die alle zusammen an Halloween als Bräute verkleidet tragen wollten.
Abends sind wir dann noch ausgegangen und nachdem wir vom Botellón (der wird in Sevilla, da nicht verboten, noch richtig zelebriert) genug hatten und in zwei Clubs nicht reinkamen, sind wir in einem Hip Hop Club gelandet. Zuerst war ich etwas skeptisch, den ganzen gefährlich aussehenden Gangster Typen gegenüber, aber dann stellte sich heraus, dass sie wahrscheinlich toleranter und netter sind, als viele Pijos, die in die Nobelclubs gehen.
Am Samstag wurden wir, nachdem wir ordentlich ausgeschlafen hatten, wieder toll bekocht und haben uns gegen Abend noch mit Martas Freund Alejandro (kurz: Ale) im Parque María Luisa getroffen. Ehrlich gesagt: wenn ich könnte, würde ich diesen Park tatsächlich in meine Koffer packen und mit nach Deutschland nehmen, sobald ich wieder nach Hause fliege.
Schön ist gar kein Ausdruck für die exotische Pflanzenvielfalt, die vielen verwunschenen Ecken und die herrschaftlichen Gebäude, die noch von der Ibero-Amerikanischen Ausstellung von 1929 dort herumstehen beziehungsweise wachsen. Und die Palmen erst! Palmen haben es mir wirklich angetan... Dazu noch die Orangenbäume, die in ganz Sevilla zu Hauf zu finden sind (ihre Früchte schmecken richtig gut, Rafa – der Vater von Marta – hat mir zum Abschied noch drei mitgegeben).
Was den besonderen Charme Sevillas auch noch ausmacht, ist die Architektur der Häuser. Hieran merkt man besonders, dass Araber und Juden zusammen mit den Christen Jahrhunderte lang auf ein und dem selben Fleck gewohnt haben. Überall vermischt sich der maurische mit dem christlichen Stil, alles ist mit Ornamenten verziert und die Geländer kunstvoll verschnörkelt.
Samstagabend waren Marta und ich dann auf einer kleinen Hausparty von Paula, die ich auch noch von vor zwei Jahren kannte. Zwölf Mädchen, viel selbstgemachtes Fingerfood, ein riesiges, absolut hammermäßig eingerichtetes Haus, zwei Katzen und jede Menge gute Laune ließen den Abend richtig schön werden. Ich genieße es jedesmal, wenn ich nur von Spaniern umgeben bin und demnach auch nur Spanisch sprechen kann. Obwohl – das Andalusische hat es schon in sich, sie verschlucken nämlich sämtliche Wortenden und nuscheln auch sonst sehr, sodass ich manchmal doch nachfragen musste, über was sich gerade unterhalten wurde.
Am Sonntag haben Marta und ich wie immer sehr lange ausgeschlafen, danach waren wir mit der ganzen Familie und Ale in einem spanisch-marokkanischen Restaurant, das außerhalb Sevillas liegt und bekannt für sein Cous Cous ist. Dort waren wir vor zwei Jahren auch schon mal. :) Echt witzig, wie sich alles wiederholt. Abends waren wir dann noch mit Freunden bei Ale, um bei Pizza Videos anzuschauen, allerdings waren alle so müde, dass wir nicht mal einen ganzen Film fertig schauen konnten, ohne vorher einzuschlafen.
Den ganzen Montag habe ich eigentlich nur damit verbracht, Mails zu schreiben und mich mal wieder auf den aktuellen Stand zu bringen, was die Nachrichten angeht. In dieser Beziehung lebe ich hier echt ein bisschen hinter dem Mond. Es ist ja doch recht schwierig, etwas über die Dinge, die in Deutschland vorgehen zu erfahren, ohne gleich super viel Geld für Zeitungen auszugeben. Seit letzter Woche lasse ich mir nun immer die Nachrichtenmails, Presseschauen und Newsletter des Deutschlandfunks zuschicken. Endlich liege ich nicht mehr auf dem Trockenen!
Abends sind wir dann nach eifriger Verkleiderei auf eine Halloweenparty gegangen, wie ich sie noch nie erlebt habe. Riesig, laut, lustig. Marta hat sich zusammen mit ihren acht Freundinnen als Braut verkleidet (samt dekoriertem Auto mit Schepperdosen etc.) und ich bin als Katze gegangen. Irgendwie scheint Halloween hier mehr Anklang zu finden als in Deutschland. Jedenfalls war der gesamte, riesengroße Autoparkplatz vor dem Club, in den wir später rein sind, voller Menschen, die in Grüppchen um ihre Autos, aus denen Musik dröhnte, standen und tranken.
Natürlich auch hier der Botellón. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass der Parkplatz als wir um 6.00 Uhr morgens nach Hause fuhren, wie ein Schlachtfeld aussah... Jedenfalls waren so gut wie alle Menschen verkleidet, richtig gut sogar, wie man das von uns nur an Karneval kennt. Ich hab an diesem Abend echt alles gesehen, vor allem viele Gruppenverkleidungen. (Marienkäfer, Mickeymäuse, Stallluder, Michael Jacksons, Polizisten, Draculas, Zauberer, Comicfiguren…)
Am nächsten Tag (Allerheiligen) haben wir wie immer lange geschlafen und dann musste ich mich um 16.00 Uhr auch schon wieder auf den Heimweg machen, damit ich noch rechtzeitig in Madrid ankam. Die ganze Familie hat mich also nach einem leckeren Mittagessen zum Busbahnhof gebracht. Wenn Ihr das hier so lest, habt Ihr Recht, wenn es Euch so vorkommt, als hätte ich gar nicht so viel von Sevilla bei Tag gesehen. Das stimmt. Aber da ich auf jeden Fall noch mal das ein oder andere Mal runter fahre, ist das nicht weiter tragisch.