Rumänische Selbstgespräche
Gewichtheben mit Kindern und misslungene Postkarten und rasante Zugfahrten
"Vorbesc singur un potim romaneste" - ein von mir perfekt einstudierter Satz, um jedem Rumänen unmissverständlich klar zu machen, dass tiefgründige Gesprächsthemen mit mir nicht möglich sind! Zumindest dachte ich, dass ich damit ausdrücke, nur ein bisschen rumänisch sprechen zu können. Nach 7 (!!) Monaten dann der bittere Schlag ins Gesicht: Der Satz hat eine völlig andere Bedeutung: Was ich da in fröhlicher Regelmäßigkeit von mir gebe, heißt vielmehr, dass ich rumänische Sebstgespräche führe. Was mich viel mehr schockiert ist die Tatsache, dass mich in 7 Monaten niemand auf diesen geringfügigen Unterschied aufmerksam gemacht hat, sondern oft nur angrinste (und wahrscheinlich dachte: Und solche Psychopathen nehmen die heute schon als Freiwillige auf). Rechtzeitig vor dem Ende meines Freiwilligendienstes ist mir dies ja aber noch aufgefallen. Die Tatsache, dass ich jetzt an einem Samstagmorgen Blog schreibe, ist dem Umstand geschuldet, dass einige Rumänen glauben vor meiner Wohnung ein Hupkonzert veranstalten zu müssen. Vielleicht feiern sie meine baldige Abreise, aber so ist an Schlaf nicht zu denken und ich muss mich einer wichtigen Frage widmen: Soll ich erst frühstücken oder gleich zum Mittagessen übergehen?
Die Arbeit - ja ihr habt richtig gelesen, ich arbeite gelegentlich - geht in die letzten Züge. Im KIndergarten haben die Kinder begonnen, mir am Essenstisch rumänische Vokabeln beizubringen- leider überschätzen sie meine Intelligenz maßlos, denn ich kann mir nicht einmal die Hälfte merken - zu meiner Verteidigung: Eine Stimme flüstert mir zu, dass ich mir Halskette, Ohrring und Handspiegel nicht merken muss , der Wortschatz einer 6-jährigen eben. Die Ausflüge zum nahegelegenen Spielplatz sind immer wieder ein Nervenkitzel - viele Kinder finden die Hauswände viel zu interessant, um einfach an ihnen vorbeizulaufen. Alle (!!) müssen berührt werden, bevor man den Weg fortsetzen kann. Am Spielplatz angekommen, fühle ich mich gelegentlich wie ein Gewichtheber, da man alle Kinder auf die Rutsche heben muss - warum sie nicht den dafür gebauten Aufgang wählen, kann ich nicht sagen. Vielleicht denken sie eher: Lasst uns den deutschen Sklavenriesen ausnutzen, solange er noch da ist. Bei manchen Kindern komme ich da aber schon an meine Grenzen (Ob das an meinen nicht vorhandenen Muskeln oder dem deutlichen Übergewicht einiger Kinder liegt, möchte ich nicht beurteilen. Ich versuche jedenfalls immer, Renate so weit wie möglich von der Rutsche fernzuhalten). Im Kindergarten werde ich auch immer wieder von der rumänischen Kreativität beeindruckt- Anstatt neue Wolldecken zu kaufen, schneidet man die vorhandenen einfach in zwei Hälften! Außerdem möchte ich alle Mütter des Kunstkindergartens in Baia Mare dazu aufrufen, ihren Kindern ausschließlich Schuhe mit Klettverschluß zu kaufen- würde meine Arbeit deutlich erleichtern! Danke im Voraus! Die dortige Arbeit und natürlich vor allem die Kinder werde ich jedenfalls sehr vermissen- als ich neulich wirklich bei meinem richtigen Namen gerufen wurde, habe ich vor Glück fast geweint.
In unserem Projekt sollten wir auch eine Postkarte zum Thema "Human Rights" malen. Meine erste Idee war, meine Kinder im Kunstkindergarten etwas zeichnen zu lassen, die können das schließlich besser als ich! Doch schließlich zeichnete ich einfach wild drauf los. Meine Kunstlehrer in der Schule hatten das tief - okay sehr, sehr ,sehr tief- in mir schlummernde Potential nie erkannt, doch vielleicht sollte das ja hier anders werden, dachte ich. Wurde es nicht. Ich warnte sie vor, dass ich nicht gerade der nächste Hundertwasser sei, doch sie nickten lächelnd ab- das sei doch keiner von uns. Als sie dann das Endexemplar sahen, blickte ich in versteinerte Gesichter und als ein Antwort kam ein "Oh". Man schlug mir diplomatisch vor, dass die Grundidee klasse sei, aber sie das ganze vielleicht von einer talentierten Person nachzeichnen lassen werden. Ich kann mit solchen Rückschlägen umgehen, aber ich sage es voraus: Nach meinem Tod werden diese Strichansammlungen Millionen wert sein!
Den 1. Mai verbrachte ich mit Freunden am schwarzen Meer, was so ungefähr aussieht, was das alljährliche Abschlussfest der anonymen Alkoholiker. Bei dem Aufbauen meines Zeltes stellte ich mich so gut an, dass ich sogar vom rumänischen Fernsehen gefilmt wurde- nach dem Mott: How not to put up a tent. Zudem trat ich mit 3 anderen Freiwilligen die Reise nach Lettland und Estland an. Als Fluggesellschaft wählten wir Airbaltic. Solche Billigcompanys sind immer so eine Sache- Airbaltic wechselt jedenfalls die Flugzeiten häufiger, als manche Menschen ihre Unterwäsche. Wo wir schon beim Thema Fluggesellschaften sind- bei dem letzten Blogeintrag habe ich ganz vergessen zu erwähnen, dass es Wizzair bei dem Rückflüg aus Dubai tatsächlich geschafft hat alle Koffer in Dubai zu lassen- vielleicht war das Flugzeug zu klein. Als ein rumänischer Beamter dies allen Fluggästen am Flughafen in Bukarest mitteilte, versuchten diese ihr Gepäck herbeizuschreien. Ohne Erfolg. Vielleicht hatten sie den Rumänen aber auch im Verdacht, alle Koffer persönlich wieder aus dem Flugzeug getragen zu haben. Zurück nach Lettland und Estland. Sowohl Riga als auch Tallinn waren eine Reise wert und besitzen etwa 7403 Kirchen, aber letztere Stadt war zu meiner Überraschung deutlich schöner. In beiden Städten hatten wir nette Couchsurfer, die uns ihr Wohnzimmer zur Verfügung stellten. ( Warum bin ich als Mann geboren worden? Da muss man immer auf dem Boden schlafen... ) Noch ein gut gemeinter Rat: Bekommt ihr lettischen Schnaps angeboten, lehnt immer ab!!!! Der nächste Morgen ist nicht lustig! Unsere Rückreise aus Tallinn nach Baia Mare verging wie im Flug ( hihi Wortspiel) - 38 Stunden dank fantastischer Flugzeiten von Airbaltic und einer rasanten Zugfahrt. Den 12-stündigen Aufenthalt in Riga versüßten wir uns mit einem Besuch im Kino, wo ich mir eine schnulzige Romanze ansehen "musste" ( manch anderer mag behaupten, ich hätte dafür gestimmt). Und ja die Filme dort laufen auf Englisch, wobei ein Film in lettischer Sprache für mich auch seinen Reiz hätte. Ob ich dafür mein Geld ausgegeben hätte, ist wieder eine andere Frage. Außerdem war ich Zeuge, als sich ein rumänischer Zugführer sensationell ins Guinessbuch der Rekorde eintrug- er befuhr als erster Zugfahrer des Kontinents die 600 km lange Strecke zwischen Bukarest und Baia Mare in über 15 Stunden!! Das war toll! Ich möchte an dieser Stelle niemanden zu neidisch machen, aber man bekommt das volle Paket: Kostenlose Saune und die Landschaft, die buchstäblich wie in Zeitlupe an einem vorbeizieht. Warum einen Erlebniszug buchen, wenn es so billig geht? Solche Zugfahrten sind so abenteuerlich wie Autofahrten in rumänischen Dörfern. Diese wurden in der Steinzeit gebaut und seitdem nicht mehr bearbeitet. Es ist nicht ratsam, den Kopf an die Fensterscheibe zu lehnen, möchte man nicht ein schweres Schädel-Hirn Trauma davontragen!
Ich habe jetzt meinen Dubai- Urlaub noch mal Revue passieren lassen und beschlossen, dort mit Ölgrabungen zu beginnen und dort hinzuziehen. Der Plan ist noch nicht ganz ausgereift, aber das wird schon noch. Unser stinkreicher Couchsurfer dort, ist anscheinend Autor. Mein Plan B ist also, ein Buch zu verfassen. Bitte kauft das dann auch alle. Mein Fahrrad wurde übrigens gestohlen (wer klaut denn sowas?!?!?!?!). Ich habe aber noch nicht den richtigen Zeitpunkt gefunden, dies der Organisation mitzuteilen. Ich bin für Vorschläge offen. Außerdem muss ich noch einen Friseurbesuch planen, da meine Eltern sonst in 4 Wochen achtlos am Flughafen an mir vorbeilaufen werden, da sie mich für den letzten überlebenden Neandertaler halten.
Ich kann es nach wie vor nicht richtig fassen, dass meine Zeit hier sehr bald zu Ende geht. In zwei Wochen geht mein Projekt zu Ende und dann beginnt meine dreiwöchige Rundreise durch Kroatien, Bosnien und Rumänien, bevor es wieder in die Metropole Gemmingen geht. Auch wenn ich noch einige Zweifel habe, ob man in das gebaute Haus meiner Eltern wirklich einziehen kann. Es erscheint mir einfach unwirklich, das alles bald hinter mir zu lassen und ich bin mir sicher, dass es mir im Nachhinein eher wie ein Traum erscheinen wird.
PS: Hier noch ein paar Kommas, die ich im Text vergessen habe: ,,,,,,,,,,,,
PPS: Ich habe beschlossen, direkt zum Mittagessen überzugehen.
PPPS: Kann mal jemand den Spinnern draußen sagen, sie sollen aufhören zu hupen? Ich bleibe noch 2 Wochen.
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